Das Rittergeschlecht der “Leberskirchner” Wichtige Ritter von Leberskirchen im Überblick Mittelalterlicher Landausbau bei Leberskirchen Bäuerliche Besitzverhältnisse im 18. Jahrhundert Die Filialkirche des hl. Rupert Die Innenausstattung der Kirche Die Organisation der Filiale Leberskirchen um 1640 Isidoribruderschaft und Isidorifest seit 1742 Der Ort Leberskirchen weist seit seiner namentlichen Gründungszeit im Mittelalter ein hohes Alter auf. Diese Tatsache ist wichtig und interessant. In der näheren und weiteren Umgebung von Leberskirchen konnten Archäologen mehrere vorgeschichtliche Siedelplätze auffinden und nachweisen. Ob sie eigene Bezeichnungen oder Namen hatten, bleibt uns unbekannt. Im Vilstal sind für die Jahrtausende der Vor- und Frühgeschichte keine direkten Überlieferungen bekannt. Es handelte sich wohl um schriftlose Kulturen. Auffällig ist die Tatsache, daß Leberskirchen unmittelbar neben der Großen Vils, vermutlich an einer seichten Stelle mit einer Furt gegründet worden ist. Für diesen Zeitpunkt läßt sich kein genaues Jahr angeben. Als erster und damit frühester Ortsname ist LIUTPRANTSCHIRCHEN in althochdeutscher Sprachform zu erschließen. Urkundlich ist diese Namensform des Orts- und Siedlungsnamens im Jahre 1295 als "LEUBRANTSCHIRCHEN" überliefert worden. In der Ortsnamenforschung wird die Gründungszeit der sogenannten Kirchen-Orte zwischen dem 8. und dem 10. Jahrhundert angesetzt. Ob der Ort wirklich bis in diese frühmittelalterliche Zeit zurückreicht, ist nicht sicher. Der Männername LIUTPRANT drückte die besondere Qualität seines Trägers aus, nämlich "der beim Volk Berühmte". Die früheste Ortsnamenform bringt also zum Ausdruck, daß es sich bei der Gründung um eine von Liutprant gestiftete Kirche oder um ein Gut einer Kirche gehandelt haben muß. Wegen der Nähe zur Vils muß demnach die ursprünglich wichtigste Aufgabe der Ortsbewohner in der Sicherung des Tal- und Flußüberganges bestanden haben. Das Rittergeschlecht der "Leberskirchner" Will man einem überlieferten Stammbaum
des Geschlechts Glauben schenken, so soll eine Vertreibung aus Ungarn im
Jahre 903 n. Chr. die Ursache dafür gewesen sein, daß sich einzelne
Vertreter dieses Adelsgeschlechts in Leberskirchen angesiedelt haben. Die
ursprünglichen Besitzrechte am Ort sollen sich in der Gewalt und
Zuständigkeit der Bischofskirche von Regensburg befunden haben.
Die Ritter, welche sich also seit 903 in unserem Vilstal
einen Herrschaftsbereich aufzubauen versuchten, standen im Dienste der
mittelalterlichen Reichskirche und der weltlichen Mächte.
Wie die Wasserburg, welche sie zur Ausübung ihres
Ritterstandes brauchten, wirklich aussah, ist nicht zu sagen. Wir werden
aber nicht fehlgehen, wenn wir von einer kleinen Anlage ausgehen, wie sie
in Grundrissen etwa in Altfraunhofen oder in Mangern zu erkennen ist.
Ritter waren in erster Linie berufsmäßige Krieger, die in
den für sie als Stand verbindlichen Rittertugenden erzogen und ausgebildet
wurden. Sie waren zur Gefolgschaftspflicht für Kaiser, Könige, Herzöge und
Bischöfe eingeschworen. Bis zum Jahre 1305 hatten die Ritter von
Leberskirchen beispielsweise die wichtige Aufgabe, den Schutz für die
Leute und Gebäude in der Pfarrei Gerzen zu gewährleisten. Man nannte
diesen Schutz eine sogenannte Schirmvogtei über eine Kirche und ihre Leute
bzw. einen ganzen Kirchensprengel.
Damit hing auch der militärische Schutz des "Altwegs" durch
das Vilstal und die verschiedenen "Salzwege" zusammen, die aus dem
Salzkammergut und aus Berchtesgaden in das Vilstal führten. Salz war
lebenswichtig.
In einem Verzeichnis der Güter des Herzogs vom Jahre 1308 im
"Gericht Piburg" (Vilsbiburg) wird der Salztransport an erster Stelle
genannt. Deshalb hatten die Ritter von Leberskirchen auch die
Sicherheit an den beiden nächstliegenden Zollstätten zu Gerzen und Solling
zu gewährleisten. Wichtige Ritter von Leberskirchen im Überblick 1165 Sigmund und Friedrich sollen an einem Turnier in
Zürichteilgenommen haben.
1295 Eckart war ein mächtiger Dienstmann des Herzogs
von Niederbayern und der Bischofskirche von Regensburg. Er scheint um 1360
gestorben zu sein.
1418 Hans war ein Lehensmann des Herzogs in Bayern.
1447 Lienhart verlegte seinen Adelssitz nach
Lichtenhaag.
1473 Ulrich baute einen Adelssitz zu Berg bei
Lichtenhaag.
1474 Sebastian benannte sich nach Lichtenhaag.
1500 Heidenreich benannte sich ebenfalls nach
Lichtenhaag.
1517 Heidenreich auch Heinrich genannt, übergab
seinem Sohn Alexander den Markt Gerzen mit der Hofmark Mangern als
Schenkung zu Lebzeiten.
1521 Alexander starb und wurde in der Familiengruft
in der Pfarrkirche Gerzen begraben. Mittelalterlicher Landesausbau bei Leberskirchen In den Talauen der Großen und der
Kleinen Vils, die nordöstlich von Leberskirchen zu einer Flußaue
zusammenlaufen, erstreckte sich bis in die Neuzeit ein ausgedehntes
Sumpfgebiet mit einzelnen Flußseen.
Diese naturgegebenen Bedingungen forderten zu
Kultivierungsmaßnahmen heraus. Leberskirchen, Solling, Schalkham und
Hungerham lagen am "Altweg", der rechts der Vils verläuft.
Geistliche Grundherrschaften wie das Reichskloster St.
Emmeram in Regensburg, das dortige Domstift, das Benediktinerkloster
Benediktbeuern und das Zisterzienserinnenkloster Seligenthal begann vom
10. bis zum 14. Jahrhundert den Landesausbau. Königsgüter aus dem
Besitz des Frankenreiches waren wichtige Voraussetzungen. Darauf weist der
Dorfname "Schalkham" hin.
Aus dem 14. Jahrhundert stammen uralte Hofnamen wie
"Westner" (alte Schreibweise "Wössner") und "Kerscher" (später geteilt in
"Hanslkerscher" und "Peterkerscher") in Leberskirchen und "Bachmeier",
"Luger" und "Beckenbauer" in Schalkham.
Zu den Aufgaben der hier ansässigen Bauernfamilien gehörte
es von Anfang an, die Orts- und Dorffluren, sowie das nähere Umland zu
entwässern und zu kultivieren. Dazu war im Mittelalter die
Schutzherrschaft des Rittergeschlechts von Leberskirchen notwendig.
Der Ritter "Eckart von Leubrantschirchen" (Leberskirchen)
trat urkundlich erstmals 1295 als bedeutender Gefolgsmann des
Bischofs Heinrich von Regensburg auf.
Ein halbes Jahrhundert später konnte sich Ritter "Eckart"
als Besitzer der "Hube", d.h. des damaligen Hofes zu Dietrichstetten
urkundlich nennen lassen (1347).
Der Ritter "Lienhart Leberskirchner zu Liechtnhag" konnte
bereits herrschaftlichen Besitz zu Lichtenhaag nachweisen und als
Grundherr im Ort in Erscheinung treten (1447). Umfangreiche
Rodungsleistungen im Bereich des Dorfes Lichtenhaag waren vorausgegangen
und wurden weitergeführt.
1505 hatte Leberskirchen durch Kriegsschäden an Bedeutung
verloren. Zur Kirchengeschichte von Leberskirchen Die Filialkirche des hl. Rupert Zum Inhaltsverzeichnis
Fotos: Die Grundsubstanz der Kirche im Ort kann
ein sehr hohes Alter aufweisen (1180). Sie stammt aus der Zeit des
romanischen Baustils im 12. Jahrhundert.
Wegen des besonderen Patrons kam dieser Kirche von Anfang an
eine große Bedeutung für das Leben der Leute zu. Der hl. Rupert war ein
Wanderbischof aus Irland, dessen Geburtsjahr unbekannt ist. Herzog Theodo
von Bayern rief ihn von seiner Bischofsstadt Worms am Rhein, damit er das
Volk missionierte und eine Organisation der Kirche im Herzogtum Bayern
vorbereite.
Nach der Überlieferung hielt sich Rupert längere Zeit in der
Stadt Regensburg und in ihrem Umland auf, weil in Regensburg die
alte Herzogsresidenz war. Aus nicht bekannten Gründen wurde Rupert
auch Bischof von Salzburg. Als erster Bischof des Salzburger Bistums
gründete er in der damals weitgehend zerstörten Stadt eine Kirche zu Ehren
des hl Apostelfürsten Petrus und auf dem Nonnberg ein Frauenkloster. Um
das Jahr 715 ist er der Überlieferung nach in Salzburg gestorben und dort
bestattet worden.
Die Ritter von Leberskirchen scheinen
Mitstifter der Kirche in Leberskirchen gewesen zu sein. dies gilt
besonders für den Ritter Eckart von Leberskirchen. Gerade bei
Kirchen, die von Adelsgeschlechtern gestiftet waren, wurden jeweils
angemessene Familiengrablegen angelegt und hinzugestiftet.
Um die Erinnerung an den Ruhm und die Tradition zu fördern,
wurden an bestimmten Gedächtnistagen besondere Jahrtagsgottesdienste
gestiftet. Dies wurden oftmals auch als sogenannte "Ewige Messen"
bezeichnet. Nach dem Beispiel der Ritter von Leberskirchen entschlossen
sich seit dem 14. Jahrhundert auch vermögende Bauernfamilien zu
Meßstiftungen.
Auf jeden Fall wurde die vermutlich baufällige oder durch
Kriegseinwirkungen der Hussitenkriege zerstörte oder beschädigte Kirche im
15. Jahrhundert umgebaut. Die vom Herzogtum Bayern-Landshut ausgehende
Bauwelle der Spätgotik erfaßte im 15. Jahrhundert auch das Vilstal in
vollem Umfang. Beispielgebend dürfte dabei die Bauschule vom St.
Martinsmünster in Landshut auch im Falle von Leberskirchen gewesen sein.
Als maßgeblicher Stifter und Anreger für den Um- oder
Teilneubau in Leberskirchen kommt einerseits der seit 1435 urkundlich
nachweisbare Ortsadelige Hans WESTNER zu Leberskirchen und andererseits
der seit 1474 genannte EDLE und VESTE SEBASTIAN DER LEBERSKIRCHNER ZUM
LICHTENHAAG, ein bedeutender Ritter, in Frage. Für letzteren als Stifter
der barocken, höchst kunstvollen und edel gestalteten Kircheneinrichtung
spricht das Auszugbild des Hl. Sebastian im südlichen Seitenaltar (datiert
1727). Es kann sogar sein, daß unter diesem Altar eine Familiengruft
verborgen liegt.
Die Reste eines Rundbogenfrieses auf der Südseite des
Kirchenschiffs weisen auf die Zeit des HANS WESTNER hin. Damit kann die
Umbauzeit zwischen 1435 und etwa 1474 angesetzt werden. natürlich zog sich
die Ausstattung der interessanten Landkirche mit einem sehr breiten,
zweijochigen Ostchorraum bis etwa 1510/20 hin. ein kostbares Zeugnis aus
dieser Epoche besitzt die Kirche in der vornehmen und würdevollen
spätgotischen Madonna in der Mittelnische des südlichen Seitenaltar. Alle
anderen Ausstattungsstücke sind verloren gegangen.
Die noch heute nach diesem Umbau erahnbare Bedeutung dieser
Kirche ist darin zu sehen, daß sie von Anfang an eine "Rittersaalkirche"
war, in die man auch hineinreiten konnte. Deshalb wurde auch der Chorraum
nach den Maßen des Kirchenschiffs erweitert. Weitere Hinweise geben noch
die früher mit Wappen bemalten Wappenschilde auf den Polygonkonsolen im
Ostchor. Gleiches ist in der Pfarrkirche Gerzen, allerdings nochmals
erweitert und vermehrt, zu sehen und festzustellen. Die Innenausstattung der Kirche Eine hohe künstlerische und
kunstgeschichtliche Qualität zeichnet die Filialkirche aus. Die vom Stil
der Spätgotik geprägte Raumschale mit einem schön gestalteten
Kreuzrippengewölbe ergibt eine klare und nüchterne Raumwirkung. Drei
prächtige Altäre im Stil des Spätbarocks beherrschen den Innenraum im
erweiterten Ostchor. Es ist als ein Glücksfall zu nennen, daß die
Entstehungszeit jedes Altares bekannt ist.
Fotos: Der prächtige Hochaltar ist im Jahre
1705 gefertigt worden, und zwar vermutlich in einer Landshuter Werkstatt.
Gedrechselte Säulen und eine dekorative Akanthusumrahmung umgeben ein
schönes Altarbild mit einem sehr selten dargestellten Thema: der hl.
Bischof Rupert tauft den Herzog Theodo von Bayern.
Dieser geschichtliche Bezug verweist in die Frühzeit des
ersten Stammesherzogtums in Bayern und in die Entstehungsgeschichte der
Kirche und des Dorfes an der Vils. Sollte dieses Altarbild wirklich für
die Filialkirche in Leberskirchen gemalt worden sein, dann wäre dies ein
erfreulicher Fall von geschichtlicher Traditionsbildung.
Einerseits weist die Darstellung des Herzogs Theodo von
Bayern auf den obersten Herrn im Herzogtum hin und andererseits ist durch
den hl. Bischof Rupert angedeutet, daß die Kirche im Stammesherzogtum
Bayern bereits in einem gewissen Umfang organisiert war. Diese
geschichtlichen Bezüge verweisen auf die Verhältnisse im Herzogtum Bayern
um 700 n.Chr.
Im Jahre 739 n.Chr. gründete der hl Bonifatius im Auftrag
des Papstes Gregor III. die vier altbayerischen Bistümer Freising, Passau,
Regensburg und Salzburg und bestimmte im wesentlichen ihre
Bistumssprengel, die sogenannten Diözesen. Es ist wichtig für die
geschichtliche Aussage dieses Altarbildes von Leberskirchen, daß mit der
Taufe des Bayernherzogs Theodo durch den hl. Bischof Rupert sogar die
Kirchengeschichte vor der denkwürdigen Leistung des Bonifatius geschildert
wird.
Den zeitlichen Hinweisen dieses Altarbildes folgend, könnte
die Ansiedlung Leberskirchen auf das bisher höchste im Vilstal
festgestellte Alter von fast 1300 Jahren zurückgehen. Das wäre ein Rekord!
Die enge Verbindung zur Bischofskirche und damit zum
Hirtenamt in der katholischen Kirche bringen auf dem Hochaltar die beiden
Seitenfiguren der hl. Bischöfe Dionysius (links) und Ulrich von Augsburg
(rechts vom Tabernakel) zum Ausdruck.
Dies entspricht der bereist mehrfach angesprochenen
herausragenden Stellung der Kirche und des Ortes sowie der ganzen Pfarrei
Gerzen seit der sogenannten ottonischen Reichskirchenpolitik des 10.
Jahrhunderts. Es wird damit auch zum Ausdruck gebracht, daß hier im
Vilstal besonders wichtige Wehrbauern im Dienste der bischöflich
geleiteten Reichskirche des Mittelalters angesiedelt waren, und zwar an
einer außerordentlich bedeutsamen Straße in der Ost-West-Achse. An beiden
Vilsläufen, sowohl an der Großen und der Kleinen Vils, erstreckten sich
wichtige Altsiedelgebiete mit besten Ausbauorganisationen kirchlicher und
weltlicher Zugehörigkeit.
Eine besonders wichtige Stellung kam dem hl. Bischof Ulrich
von Augsburg auch in unserer Gegend zu. In der nahen, bereits im
westlichen Nachbardorf Solling beginnenden "Herrschaft Geisenhausen", die
vom 10. Jahrhundert bis 1803 zum Hochstift und Reichsbistum Augsburg
gehörte, wurde das ganze Mittelalter hindurch der hl. Bischof Ulrich
außerordentlich stark als Patron verehrt. Er galt seit der Schlacht auf
dem Lechfeld bei Augsburg im Jahre 955 n.Chr. als der wundertätige
Besieger und Überwinder der heidnischen Ungarn, die seit dem Beginn des
10. Jahrhunderts in mehreren Anstürmen in das "Heilige Römische Reich
Deutscher Nation" verheerend eingedrungen waren.
Daneben wurde in Kirchen an alten Wegen und Reichsstraßen
der hl. Bischof Dionysius zur Ehre der Altäre erhoben und besonders
verehrt, z.B. in der Pfarrkirchen Loizenkirchen. Die Organisation der Filiale Leberskirchen um 1640 In einem Verzeichnis der "Kirchen und
Gotteshäuser" in der Pfarrei Gerzen aus der Zeit des Dreißigjährigen
Krieges (1618-1648) werden insgesamt 14 Kirchen genannt. Diese enorm hohe
Zahl zeigt, wie groß die Pfarrei vor der Abtrennung der Pfarrei Hölsbrunn
(1735) einst gewesen ist. Besonders interessant ist auch die Reihenfolge
der genannten Kirchen, Kapellen und ihrer zugehörigen Sprengel:
1. Die Pfarr- und Mutterkirche St. Georg in Gerzen
2. Die Kapelle Unserer Lieben Frau in Wippstetten
3. Die Kapelle St. Emmeran in Neuhausen
4. Die Filialkirche Unserer Lieben Frau in Hölsbrunn
mit Friedhof
5. Die Kappelle St. Stephan in Unterbachham
6. Die Filialkirche St. Margareta in Radlkofen mit
Friedhof
7. Die Filialkirche des Hl. Johannes des Täufers und
Evangelisten in Johannesbrunn mit Friedhof.
8. Die Kapelle des Hl. Bartholomäus in Eggenpoint
9. Die Filialkirche St. Michael in Westerskirchen mit
Friedhof
10. Die Kapelle St. Wolfgang in Möllersdorf
11. Die Filialkirche St. Stephan und Laurentius in Solling
mit Friedhof
12. Die Filialkirche St. Rupert in Leberskirchen mit
Friedhof 13. Die Kapelle St. Nikolaus in Lichtenhaag
14. Die Kapelle St. Martin in Vilssattling
Allein von den Kirchenpatronen her gesehen, handelt es sich
also bei der Pfarrei Gerzen um eine sehr bedeutende und bis in die
Anfangszeit unserer Kirchen- und Bistumsgeschichte zurückreichenden
Seelsorgsorganisation in Bayern. Das Kirchenpatronat des Hl. Märtyrers
Laurentius verweisen bis in die römische Zeit zurück. Gerzen und Solling
erweisen sich somit aufgrund ihrer Kirchenpatrone als romanisch teilweise
besiedelte Orte mit kirchlicher Tradition im Land an der Vils.
Dazu bildet, was dieses oben genannte Verzeichnis der
Pfarrei Gerzen nicht beinhaltet, der Pfarrort Kirchberg auf dem Kröning
mit seinem ebenfalls in römische Zeiten zurückweisenden Patronat des Hl.
Märtyrers Florian eine sehr wichtige Ergänzung. Für eine Existenz einer
noch im 9. nachchristlichen Jahrhundert in dieser Gegend vorhandenen
romanischen Bevölkerung sprechen neben den bezeichnenden Kirchenpatronen
St. Georg, St. Laurentius und St. Florian verschiedene andere Gründe, die
aber in diesem Zusammenhang nicht weiter dargelegt werden können.
Besonders wichtig erscheint, daß neben der Pfarrkirche des
Hl. Ritters und Märtyrers Georg in Gerzen die älteste Taufkirche in
Johannesbrunn erwähnt wird, während die Filialkirche des Hl. Rupert in
Leberskirchen erst an zwölfter Stelle erscheint.
Das Verzeichnis der "Kirchen und Gotteshäuser" in der
Pfarrei Gerzen ist also, so ist zu schließen, nach den Erträgnissen der
einzelnen Kirchensprengel erstellt. Es verwundert also nicht, daß
unmittelbar nach der Pfarr- und Mutterkirche von Gerzen die
Wallfahrtskirche Unserer Lieben Frau in Wippstetten im Verzeichnis genannt
ist, denn die Wallfahrerströme brachten viel Geld in die dortige
Kirchenkasse.
Seit dem Beginn der Barockzeit war es auch üblich geworden,
in jeder großen Pfarrei einen eigenen Wallfahrtsort zu haben bzw.
einzurichten. Nach welchen Gesichtspunkten dies aber erfolgte, hing von
den jeweiligen Hofmarksherren und den zuständigen Pfarrern ab.
Die Wallfahrt zu "Unserer Lieben Frau von Wippstetten" hing
natürlich in erster Linie mit dem Kröning und der Kröninger Hafnerei
zusammen, denn auch in Leberskirchen bezog man von Jesendorf und Bödldorf
das notwendige irdene Geschirr ebenso wie im Pfarrhof zu Gerzen. Natürlich
beteiligten sich die Gläubigen der Filialgemeinde Leberskirchen an den
Bittgängen und Prozessionen der Pfarrei Gerzen nach Wippstetten.
Die Filiale Leberskirchen hatte im Jahre 1640 einen
verhältnismäßig kleinräumigen Bezirk. Die beiden Dörfer Leberskirchen und
Schalkham lagen unmittelbar an der Vils und die Einöden Hangelberg,
Trautmannsberg, Steffelsöd, Straß, Forsthof, Brandhof, Hufnaglberg, Eder
in der Scheiben, Höfengrub, Muntersgrub und Scherneck erstreckten sich
über die südliche Waldzone.
Interessant ist auch, daß die Zehentverhältnisse im
Kirchdorf Leberskirchen vom damaligen Pfarrer als unzweckmäßig beurteilt
worden sind. In den Notzeiten während des Dreißigjährigen Krieges waren
die Pfarrer besonders auf die Zehentabgaben der Hof- und Hausbewohner in
den Kirchdörfern angewiesen, weil neben den Plünderungen und
Brandschatzungen die raubenden Scharen und Trupps von Soldaten viel Geld
erpreßten.
Seit dem Hochmittelalter mußte von jeder Haus- und Hofstelle
eines Dorfes der zehnte Teil der Jahresernte, vom Klein- und Großvieh als
besondere Abgabe für die Ortskirche bzw. Pfarrei abgegeben werden. Dies
war hier nicht der Fall, weil nämlich die Ritter von Leberskirchen eigens
beanspruchte Abgabenleistungen erhielten, z.B. vom Hansl- und vom
Peterkerscher-Hof. Bäuerliche Besitzverhältnisse im 18. Jahrhundert Fotos: Der Westnerhof um 1920 Der Hanslkerscherhof um 1915 Der Peterkerscherhof Das Müllnerhaus in Leberskirchen Für das Hofmarksdorf Leberskirchen sind
verläßliche Angaben über Besitzverhältnisse von geteiltem und ungeteiltem
Eigentum sowie von Steuergrößen erst seit den Jahren 1752 und 1760
möglich.
Man zählte insgesamt 16 Anwesen im Dorf, von denen damals
der "Peterkerscher" Hof mit der Hofgröße eines "halben Hofes" (auch "Hube"
genannt) an erster Stelle stand. Als sogenannte "Viertel Höfe" folgten der
"Hanslkerscher", der "Westner", der "Wagner" und der "Müller" mit recht
unterschiedlichen Grundherrschaften und niedergerichtlichen
Zuständigkeiten. Während der "Peterkerscher" und der "Hanslkerscher"
ursprünglich eine gemeinsame Gründungswurzel zu haben scheinen, gehörten
der "Westner" und der "Wagner" zur geistlichen Grundherrschaft des
Klosters Seligenthal in Landshut und der "Müller" zur Hofmarksherrschaft
Lichtenhaag.
Bereits unter dem bedeutenden Kurfürsten Maximilian I. von
Bayern erfolgten während des Dreißigjährigen Krieges in Leberskirchen
wichtige Besitzveränderungen, die offensichtlich der Kurfürst selbst in
die Wege leitete. Der "Peterkerscher" und sieben Handwerkeranwesen mit dem
erhöhten Hoffuß von je 1/24 (Hofgröße) kamen in kurfürstlichen Besitz. Es
handelte sich um das erste und das zweite Schneideranwesen, den
"Schuster", den "Schmied", den "Penker" (d.h. den Handwerker der Bänke
herstellte) und zwei Zubauten zum "Müller" und zum "Hanslkerscher". Sie
waren alle als Lehen, d.h. als Leihegüter zu Lehenrecht an die Inhaber
ausgegeben. Organisatorisch hatte der "Peterkerscher" über diese sieben
Lehen-Anwesen die grundherrschaftliche Führungsposition, denn auf ihm
waren die Rechte der "kurfüstlichen Hofmark Leberskirchen" begründet.
Auch die Hofmark Gerzen hatte grundherrschaftliche Rechte im
Dorf Leberskirchen. Das "Fischer"-Anwesen hatte keine bestimmte bzw.
festgelegte Hofgröße und war zu "Leibrecht" ausgegeben. Der berufsmäßig im
Dorf ansässige Fischer hatte die Aufgabe, nicht nur Fische, sondern auch
Krebse für die Hofmarksherrschaften in Gerzen und Lichtenhaag zu fangen
und zu liefern.
In einem altbayerischen Kirchdorf wie Leberskirchen durften
so charakteristische Anwesen wie beim "Mesner" und beim "Söldner" nicht
fehlen, denn sie waren zur grundherrschaftlichen Ausstattung der
Filialkirche gehörig. Sie waren zur günstigsten Besitzform ihren
jeweiligen Besitzern überlassen, nämlich zu "Erbrecht". Bei diesem
bäuerlichen Leiheverhältnis ging das dingliche Nutzungsrecht am Anwesen
und den Gründen jeweils auf die Erben des Inhabers über.
Auffällig ist bei diesen Besitzverhältnissen, daß die in
vergleichbaren anderen Dörfern einheitliche grundherrschaftliche
Zuständigkeit in Leberskirchen nicht seit dem Mittelalter erhalten werden
konnte. Es zeigt sich eben doch immer wieder, daß sich mit dem Aussterben
von alten Rittergeschlechtern, wie z.B. in diesem Fall dem der Ritter von
Leberskirchen im Jahre 1521, starke Besitzveränderungen ergaben. Dies lag
wohl auch im Bestreben der landesfürstlichen Besitzpolitik im Herzogtum
und seit 1623 im Kurfürstentum Bayern, um wirksame Wirtschafts- und
Steuerreformen durchzuführen.
Mit der sogenannten Säkularisation in Bayern begann sich
auch in Leberskirchen seit dem Jahre 1803 ein schwerer Eingriff in die
kirchlichen und klösterlichen Rechts- und Besitzverhältnisse auszuwirken.
Durch die Aufhebung der klösterlichen Grundherschaft des Klosters
Seligenthal über den "Westner" und den "Wagner" im Dorf veränderten sich
nicht nur die herkömmlichen Besitzformen, sondern auch die inneren
Zusammenhänge im Dorf und bei seinen Bewohnern.
Seit dem Jahre 1808 wurden die bäuerlichen Lehensgüter bzw.
die zu Lehenrecht ausgegebenen Höfe und Anwesen, wie hier der
"Peterkerscher", die zwei "Schneider", der "Schuster", der "Schmied", der
"Penker" und die beiden Zubauten zum "Hanslkerscher" und zum "Müller",
durch sogenannte "Ledigungsbriefe" in Zinseigentum umgewandelt.
Besitzrechtlich war dies für den "Peterkerscher" und den "Hanslkerscher"
am günstigsten, denn ihre Bauernhöfe waren bereits vor 1808 zu bestimmten
Teilen oder vollständig in den Eigenbesitz der Hofinhaber gekommen. Der Schulhausbau in Leberskirchen Klassenfoto des Jahrgangs 1938 mit Lehrer Brandl Das Filialdorf bekam
erst relativ spät eine eigene Schule, weil sich erste Pläne
einer Veränderung des 1803 eingeführten Schulsprengels wieder zerschlugen.
Im Jahre 1866, das wegen des von Bismarck in Preußen geführten deutschen
"Einigungskrieges" einen hochpolitischen Charakter hatte, wurde in
Leberskirchen eine Schule gebaut.
Bisher waren die Leberskirchner Schulkinder in die
Volksschule nach Lichtenhaag gegangen. Es sind leider keine Aufzeichnungen
vorhanden, die Auskunft geben könnten, ob dies auch zu den häufigen
Hochwasserzeiten möglich war.
Bereits im Jahre 1723 findet sich eine schriftliche
Erwähnung eines eigenen Schulzimmers im "Schloß" Lichtenhaag, wo zunächst
Lehrer Mathias Wimmer und als sein Nachfolger Alanus Hueber bis 1773
Schule hielten. Letzterer wurde am 9. Oktober 1773 im Friedhof von
Leberskirchen begraben.
Bereits im Jahre 1756 wurde in Lichtenhaag ein Lehrer
Hasenkopf genannt, von dem sonst aber nichts bekannt ist. Wir wissen auch
nicht, wie lange er in Lichtenhaag lebte. Am 12. März 1797 starb in
Lichtenhaag der Lehrer Johann Steiner im Alter von 54 Jahren. Er soll der
wirkliche Nachfolger des Lehrers Hueber gewesen sein.
Einer der bedeutendsten Lehrer in Lichtenhaag war wohl Simon
Löwerfinger. Er muß ein tüchtiger Lehrer und ein noch besserer Organist
und Chorleiter des Kirchenchores gewesen sein. Dies zeigte sich deutlich,
als er im Jahre 1829 bereits versuchte, die Schule in das Filialdorf
Leberskirchen zu verlegen. Der Heimatforscher und Dekan von Gerzen,
Franz-Xaver Moser, gab als Begründung für dieses Ansinnen den
Organistendienst in Leberskirchen an.
Dies erscheint auch wirklich glaubhaft, denn der
gleichnamige Sohn des Lichtenhaagener Lehrers hielt für seinen Vater die
Schule in seinem Wohnhause in Lichtenhaag, weil die örtlichen Verhältnisse
in dem Lichtenhaager Schloß inzwischen untragbar geworden waren.
Man kann sich die damals herrschenden räumlichen Zustände in
den sicherlich nicht großen Wohnhäusern in Lichtenhaag heute kaum mehr
vorstellen. Wenn man die in Lichtenhaag eingeschulten Kinder aus dem
Schulsprengel mit zirka zwanzig bis dreißig in der Gesamtzahl annimmt,
weil keine genauen Zahlen der Schulkinder von damals vorliegen, so müssen
wir davon ausgehen, daß etwa nur ein Viertel oder sogar nur ein Sechstel
der Schulkinder auch tatsächlich zum Unterricht erschien. Es gab damals
viele Klagen der Lehrer beim Pfarrer als dem seit dem Jahre 1808
bestellten "Schulinspektor", daß die Bauern ihre Kinder zu oft nicht zur
Schule gehen ließen, weil sie diese zu Hause oder zur Feldarbeit
brauchten.
Ein tragisches Geschick wollte es, daß der hoffnungsvolle
Lehrer Simon Löwerfinger jun. von Lichtenhaag am 2. März 1830 im
jugendlichen Alter von nur 27 Jahren verstarb. An seinem Grab im
Filialfriedhof zu Leberskirchen ließen die Eltern folgenden
bemerkenswerten Gedenkspruch auf die Grabtafel setzen:
"Du hast mit Kunst und Unverdrossenheit die Jugend
unterrichtet, drum fühlt sie sich nach langer Zeit zum Danke dir
verpflichtet."
Dieser Vers bringt in einer schönen und dankbaren Weise zum
Ausdruck, daß die Arbeit des jungen Lehrers in ihrem Wert erkannt und
entsprechend gewürdigt wurde. dies allein ist für die damalige
Einschätzung der Tätigkeit eines jungen Lehrers in einen Dorf wie
Lichtenhaag ein gutes Zeichen.
F.X. Moser nennt als den entscheidenden Grund für die im Jahre 1866
wirklich erfolgte Neugründung der Schule in Leberskirchen das
Bevölkerungswachstum in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts.
Tatsächlich war dies ausschlaggebend, den die Politik im Königreich Bayern
konnte gerade in diesem Jahrzehnt beträchtliche Erfolge und Wirkungen
aufweisen. Für den Filialkirchenort Leberskirchen bedeutete diese
Entwicklung eine Herausforderung, denn der Neubau einer Schule konnte von
der Gemeinde nicht finanziert werden. Also kam nur eine
Grundstücksschenkung durch die Filialkirchenstiftung in Frage.
Wie nun der genaue Ablauf der Schulhausentscheidung verlief,
kann erst nach der eventuellen Auffindung einschlägiger Akten untersucht
und dargestellt werden. Leberskirchen in verwaltungsmäßiger Hinsicht Der bayerische Staat erhielt im Zuge der
politischen Reformen zu Beginn des 19. Jahrhunderts vor allem durch den
leitenden Staatsminister Maximilian von Montgelas und den Kurfürsten Max
III. Joseph ein neues Gesicht. Vor allem wurde die Staats verwaltung neu
organisiert.
Leberskirchen lag in dem seit 1803 neu gebildeten
Landgerichtsbezirk Vilsbiburg und zwar im Rentamt Vilsbiburg. Im Zuge der
Neubildung der "Steuerdistrikte" im Königreich Bayern wurde Leberskirchen
1811 dem "Steuerbezirk Schalkham" zugewiesen.
Aus ihm wurde 1818 die neue politische "Gemeinde Schalkham"
gebildet, die bis zum 30. April 1978 ihre Selbständigkeit bewahrte. Mit
dem 1. Mai 1978 wurde sie in die Verwaltungsgemeinschaft Gerzen mit Sitz
in Gerzen integriert. Dies war die logische Entwicklung seit 1971, denn
das in diesem Jahr verabschiedete "Gesetz zur Stärkung der kommunalen
Zusammenarbeit" in Bayern betonte das Verbleiben der Teilnehmergemeinden
in ihrer Selbständigkeit trotz einer Zugehörigkeit zu einer
Verwaltungsgemeinschaft.
Damit sind für die Landgemeinde Schalkham mit allen aus der
Vergangenheit stammenden Strukturproblemen Möglichkeiten gegeben, die eine
gedeihliche und positive Entwicklung ermöglichen. Isidoribruderschaft und Isidorifest seit 1742 Speziell für Leberskirchen gab es zwei
kirchliche Höhepunkte im Kirchenjahr, das Patroziniumsfest des hl.
Bischofs Rupert als des Kirchen- und Dorfpatrons am 27. März bzw. dem
darauffolgenden Sonntag und das Isidorifest am 15. Mai bzw. am
darauffolgenden Sonntag.
Während das Patroziniumsfest seit dem Mittelalter das
ursprüngliche Hochfest der Filialgemeinde am Ort war, kam das Isidorifest
erst in der Barockzeit, nämlich im Jahre 1742, als Neueinführung durch den
bedeutenden Pfarrer der Pfarrei Gerzen, JOHANN BENNO STABHUBER (1741-1762
in Gerzen), hinzu.
Diesem geistlichen Pfarrherrn von Gerzen, der an die sehr
segensreiche Wirkungszeit seines Vorgängers, des Pfarrers GEORG SIMON
NEUMAYER, unmittelbar erfolgreich anschließen konnte, verdanken wir wegen
seiner exzellenten Fähigkeiten und Verbindungen, seines Seeleneiferes und
Kunstverstandes, die großartige Inneneinrichtung der Filialkirche von
Leberskirchen einerseits und der Wallfahrtskirche Wippstetten
andererseits. In der Pfarrkirche zu Gerzen ist ja nichts mehr von der
prunkvollen Barockinneneinrichtung der Altäre und der Kanzel sowie des
Orgelgehäuses erhalten geblieben.
In den Kirchen von Leberskirchen und Wippstetten können wir
heute noch und in Zukunft bestaunen und uns an dem in Frömmigkeit erbauen,
was er durch einheimische Maurer und Zimmerer sowie durch Münchner
Hofkünstler unserer Landbevölkerung geschenkt hat.
Seit dem Mittelalter bzw. wahrscheinlich seit der Zeit der
Ortsgründung vor 1300 Jahren wurden am Nachmittag des Patroziniumfestes
Pferdeumritte um die Filialkirche und Pferderennen auf der Rennwiese
abgehalten. Das Pferd stand als Helfer und "Kamerad" der Menschen im
Mittelpunkt des kirchlichen Festes.
Die Isidoribruderschaft und das Isidorifest wurden seit 1742
zum eigentlichen Hochfest in Leberskirchen, zu dem sehr viel Volk
zusammenströmte. Zudem war es das echte und eigentliche Fest der
Leberskirchner Bevölkerung, nämlich auch der Schalkhamer und Lichtenhaager
sowie der Sollinger Bauern und der Bauern und Handwerker von den
umliegenden Streusiedlungshöfen. Der hl. Isidor wurde von Papst Gregor XV.
(1621-1623) zur Ehre der Altäre durch die Heiligsprechung erhoben, und
zwar ausdrücklich als spezieller Patron der Bauern und der Bauersleute.
Offiziell eingeführt wurde das Fest erst von Papst Benedikt
XIV. (1740-1758) für die Kirche. Im Bistum Regensburg geschah dies im
Jahre 1742, als Karl Albrecht, Kurfürst von Bayern, als Karl VIII zum
Kaiser des Habsburgischen Reiches gewählt wurde.
Damals war für nur wenige Jahre das Kurfürstentum Bayern auf
dem absoluten Höhepunkt seiner fürstlichen Macht, von der es im Jahre 1745
durch den jähen Tod des Kaisers in eine schreckliche Katastrophe fallen
sollte. Es mag sein, daß die an harte Notzeiten längst durch die
Jahrhunderte gewöhnten Leberskirchener Bauern und Handwerker diesem für
sie entbehrungsreichen und strapaziösen Fürstenglanz zutiefst mißtrauten.
Gerade deshalb war für sie ein wunderwirkender Patron wie
der Hl. Isidor lebenswichtig. Und ihn verehrten sie fortan nach besten
Kräften zusammen mit der Hl. Notburga in ihrer Dorfkirche bis heute.
Der feierlichen Einführung des Isidorifestes folgte die
Gründung der Isidori-Bruderschaft in Leberskirchen, welche mit ihren
Statuten damals durchaus geeignet war, die Leute in der Bruderschaft als
geistliche "Brüder und Schwestern" im Gebet, brüderlicher Gemeinschaft und
Hilfeleistung miteinander zu verbinden.
Vor allem sollten die Bruderschaftsmitglieder die
wundertätige Fürbitte St. Isidors erlangen, um hier auf Erden vor Unglück
an Leib und Vermögen, Tieren und Feldfrüchten bewahrt zu bleiben und im
Jenseits ohne eine Todsünde der ewigen Verdammnis zu entgehen.
Um an die wundertätige Fürbitte des Heiligen glauben zu
können, mußte und muß man das Leben des hl. Isidor kennen. Wer war er
gewesen vor seiner Heiligsprechung?
Isidor war als Bauer um 1070 bei Madrid in Spanien geboren
und führte nach seiner Heirat mit Maria de la Cabeza nach der kirchlichen
Überlieferung ein vorbildliches Leben der bäuerlichen Arbeit und des
eifrigen Gebetes. Er starb am 15. Mai 1130 in seinem Geburtsort im Rufe
der Heiligkeit.
Man versteht die außerordentliche Verehrung des Hl. Isidor
durch das katholische Landvolk besser, wenn man dabei bedenkt, daß nicht
nur am Hofe des Kurfürstentums Bayern in der Residenz zu München, sondern
auch beim Landadel die spanische Kleidertracht und das spanische
Zeremoniell eingeführt waren. Damit wurden diese auch in Kleidung und
Lebenshaltung sowie in der politischen Einstellung auf das Landvolk
übertragen.
Man kann diese Tracht heute noch auf vielen alten
Votivtafeln an der Altöttinger Wallfahrtskapelle und in der
Wallfahrtskirche Maria-Hilf in Vilsbiburg betrachten.
Insgesamt bewertend kann festgestellt werden, daß die
Isidori-Bruderschaft und das Isidori-Fest zu einer wesentlichen
Verbesserung und Intensivierung des religiösen und gesellschaftlichen
Lebens in Leberskirchen beitrugen. Wie überall wurde zu dieser zeit auch
das Wirtshaus im Dorf restauriert und erweitert, denn dem
gesellschaftlichen Leben im Dorf kam seit der Barock- und Rokoko-Zeit eine
erhöhte Bedeutung zu. Besonders der im Hofmarksschloß in Lichtenhaag
residierende und wohnende Adel brauchte und liebte die fürstliche
Repräsentation in seinen Hofmarksdörfern und Edelmannshöfen.
Am besten ist der Prunk und der hohe Anspruch an
künstlerischen Prunkformen heute noch an der Inneneinrichtung der
Filialkirche in Leberskirchen abzulesen. Die fürstliche Auffassung vom
"Gottesgnadentum" des Adels und der von ihm ausgeübten politischen,
wirtschaftlichen und staatlichen Herrschaft über Land und Menschen
spiegelte sich in Gold, Silber und der gesamten künstlerischen
Formensprache wie z.B. der Altäre.
Prälaten, Klöster, Fürstäbte und Fürstbischöfe pflegten und
förderten die Formen der fürstlichen Repräsentation ebenso wie viele
Pfarrherren in ihren "Stiften", wie man damals auch den Pfarrhof zu Gerzen
nannte.
In dieser Zeit des geistlichen und weltlichen Triumphes des
ganzen katholischen Lebens im Gefolge der sog. Gegenreformation trug auch
die Filialkirche des hl. Bischofs Rupert in Leberskirchen eine barocke
Haube, die man sich heute kaum vorzustellen
vermag. |